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Absinth – Rezept und Geschichte der grünen Fee

Wer kennt nicht die legendäre Filmszene aus Bram Stokers Dracula, in der Gary Oldman in Gestalt von Vampirgrafen Vlad Tepez seiner Angebeteten Mina Harker, gespielt von Winona Ryder, ein berauschendes Glas Absinth darreicht? Mit den Worten „Die grüne Fee, die im Absinth lebt, will Ihre Seele“ entsendet Dracula seine Herzensdame in Folge auf eine düstere Seelenwanderung. Dabei ist das alkoholische Getränk eigentlich weniger eine psychedelische Droge als vielmehr ein altes Heilmittel, das im 19. Jahrhundert jedoch auf historische Art und Weise zum Rausch- und Genussmittel avancierte.

 

Absinth als Arzneimittel

Der Name des Absinths geht auf eine ganz besondere Beifußart zurück, nämlich den Wermut (Artemisia absinthium). Generell wurden Beifußkräuter bereits in der Antike als Heilkräuter verwendet. Der älteste schriftliche Beleg hierfür ist das Papyrus Ebers – eine heilkundliche Papyrusschrift aus der Zeit der Pharaonen. Und auch der Begründer der modernen Medizin, Hippokrates, wusste um die heilsamen Eigenschaften der Artemisia-Kräuter.

Selbst das Alte Testament beschreibt mehrfach den bitteren Geschmack der Beifußarten. Die verursachenden Bitterstoffe sind dabei auch hauptverantwortlich für die Heilwirkung der Kräuter. Ob Wermut dabei auch seinem Ruf als Aphrodisiakum gerecht wird, ist umstritten. Gut belegt sind hingegen die heilsamen Effekte von Wermut auf den Magen-Darm-Trakt und die Immunabwehr.

 

Die verdauungsfördernde Kraft der Bitterkräuter

Wermut gehört zu den oftmals auch als Schwedenkräuter bekannten Bitterkräutern. Diesen ist ein hoher Gehalt an Bitterstoffen gemeinsam, die in der Medizin für ihre verdauungsfördernde Wirkung bekannt sind. So erklärt sich auch der Begriff „Magenbitter“ für Verdauungsschnäpse. In besagten Schnäpsen ist Wermut neben Verdauungskräutern wie Fenchel oder Anis schon seit dem Mittelalter eine der wichtigsten Zutaten.

Speziell bei Wermut bzw. Beifuß ist die verdauungsfördernde Wirkung auf den Bitterstoff Absinthin zurückzuführen. Diesem wurde in jüngsten Studien sogar ein entzündungshemmender Effekt nachgewiesen, der Wermut für eine Anwendung bei chronisch-entzündlichen Magen-Darm-Erkrankungen wie Morbus Crohn prädestiniert.

 

Absinth gegen Infektionen

Schon Hildegard von Bingen nutzte mit Wermut versetzten Wein als Entwurmungsmittel. Zum medizinischen Einsatz von Absinth als Arzneimittel kam es allerdings erst im 18. Jahrhundert, als die heilkundige Gastwirtin Suzanne-Marguerite Motta alias Mutter Henriod aus dem Schweizer Kanton Neuburg das erste Rezept für „Absinthe“ entwickelte.

Der französische Arzt Dr. Pierre Ordinaire soll später sein „Élixir d’Absinthe“ auf Basis von Mutter Henriods Originalrezeptur für den Vertrieb in Apotheken optimiert haben. Der Major Dubied tat es im später gleich und erwarb 1797 die Henriod’sche Rezeptur. Mit seinem Sohn Marcellin und Schwiegersohn Henri Louis Pernod gründete er daraufhin die erste Absinth-Brennerei der Firma Pernod und Pernod-Spirituosen wie der Aniseé sind bis heute weltberühmt.

Großflächig zum Einsatz kam Absinth der Marke Pernod als Arzneimittel dann insbesondere während der französischen Besetzung Algeriens im Jahre 1830. Aufgrund mangelnder Sanitäranlagen und Hygiene kam es dort unter den französischen Soldaten gehäuft zu Epidemien, darunter schwere Malariaerkrankungen. Die Militärärzte verabreichten den Soldaten darum regelmäßig die Wermut-Spirituose, um das Infektionsgeschehen einzudämmen.

Zurück in Frankreich machten die Soldaten das Getränk schließlich in Metropolen wie Paris salonfähig. die um 1860 entstandene „heure verte“ (grüne Stunde), in der in den Metropolen Frankreichs zwischen 17 und 19 Uhr der zeremonielle Absinthkonsum begangen wurde, galt diesbezüglich im 19. Jahrhundert als französisches Äquivalent zur britischen Teatime.

 

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Die wichtigste Zutat für Absinth: Wermut | © Das Grüne Archiv

Kontroversen um die Grüne Fee  

Dass der Absinth in Dracula seinen großen Auftritt feiert, kommt nicht von Ungefähr. Der Original-Roman von Bram Stoker aus dem Jahre 1897 spielt zu einer Zeit, als die Wermut-Spirituose als Kultgetränk der Künstlerszene galt. Gleichzeitig begann gegen Ende des 19. Jahrhunderts auch die kritische Auseinandersetzung mit der Grünen Fee, die neben Inspiration und Muse auch düstere Versuchungen mit sich brachte.

 

Das Getränk der Künstler und Poeten

Sowohl Schriftsteller wie Oscar Wilde als auch Maler wie Henri de Toulouse-Lautrec oder Vincent Van Gogh widmeten sich der Faszination, die von der grünen Fee ausging. Legendär sind Gemälde wie Van Goghs „Cafétisch mit Absinth“ oder Albert Maignans „Die Grüne Muse“. Sie lassen keinen Zweifel daran, dass die Künstlergemeinde des 19. Jahrhunderts weitreichend Bekanntschaft mit der Grünen Fee gemacht hat.

„Absinth hat eine wundervolle Farbe, Grün. Ein Glas Absinth ist so poetisch wie nichts anderes auf der Welt“

– Oscar Wilde, irischer Schriftsteller

Nun zeichneten sich in der Kunst der damaligen Zeit aber auch mahnende Töne ab, die den regen Konsum der grünen Fee kritisch beäugten. Davon zeugt Édouard Manets Gemälde „Der Absinthtrinker“. Inspiriert durch Charles Baudelaires Gedicht „Le Vin de Chiffonniers“ (Der Wein der Bettler) portraitiert es einen heruntergekommenen Absinthtrinker und sorgte 1859 für großes Aufsehen.

Auch Filme wie der Horrorthriller „From Hell“, in dem Johnny Depp in seiner Rolle als Frederick Abberline durch exzessiven Opium- und Absinthgenuss von einem aufstrebenden Polizeinspektor und Aufklärer der Jack the Ripper Morde zu einem hoffnungslosen Suchtkranken verkommt, nehmen auf die Suchtproblematik des Komsums der Wermut-Spirituose Bezug.

 

Der Mythos: Halluzinationen durch die grüne Fee

Immer wieder im Fokus der kritischen Diskussion stand der psychedelische Effekt der grünen Fee, der auf das im Wermut enthaltene Thujon alias Absinthol zurückzuführen ist. In größeren Mengen können Thujone zu Halluzinationen, Wahnvorstellungen und Schwindel führen. Allerdings haben Rekonstruktionen alter Rezepte ergeben, dass diese keine für entsprechende Rauschwirkungen notwendigen Mengen an Thujonen enthielten.

Bleibt die Frage, ob so mancher Künstler nicht schwarz gebrannten Wermut-Schnaps mit ungewöhnlich hohem Thujongehalt konsumierte oder aber in Selbstversuchen mit Überkonsum entsprechende Rauschzustände provozierte. Ein Beweis für derartige Theorien könnte ein Kommentar von Oscar Wilde liefern. Dieser beschrieb einen extremen Rausch wie folgt:

„Das erste Stadium ist wie normales Trinken, im zweiten fängt man an, ungeheuerliche, grausame Dinge zu sehen, aber wenn man es schafft, nicht aufzugeben, kommt man in das dritte Stadium, in dem man Dinge sieht, die man sehen möchte, wundervolle, sonderbare Dinge.“ 

 

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Albert Maignan „Die grüne Muse“, 1895

Vermeintlicher Absinthmord und vorübergehendes Verbot

In Anbetracht des zweifelhaften Rufes, den die grüne Fee mit Blick auf Alkoholismus genoss, wurde das einstige Arznei-Elixier spätestens seit Beginn des 20. Jahrhunderts hitzig diskutiert. Überzeugte Absinthgegner waren damals entschieden bestrebt, das grüne Elixier verbieten zu lassen, da es angeblich zu Absinthismus, einer besonderen Form der Alkoholsucht als Folge des Langzeitkonsums des Wermut-Extrakts, führe. Als entsprechende Symptome des wurden neben der Abhängigkeit selbst unter anderem Halluzinationen, Reizbarkeit und ein besonderes Maß an Aggressivität genannt.

Der Kampf gegen den Konsum des Wermut-Extrakts fand 1905 schließlich seinen Höhepunkt, nachdem der Weinbergarbeiter Jean Lanfray in der Schweizer Gemeinde Commugny im Vollrausch von der Raserei ergriffen seine schwangere Frau und seine beiden Töchter ermordete. Der Mann soll zuvor neben Branntwein auch zwei Gläser Absinth zu sich genommen haben, weshalb kurz darauf europaweit in den Medien von einem Schweizer Absinthmord die Rede war. In Wahrheit handelte es sich bei Lanfray aber um einen schweren Alkoholiker, der täglich bis zu fünf Liter Wein konsumierte.

Dessen ungeachtet führte der Mordfall zu einem weitreichenden Absinthverbot. Dieses wurde neben der Schweiz auch in anderen Ländern Europas, darunter Belgien, Frankreich und Deutschland verhängt. Es wurde erst in den 1990er Jahren wieder gelockert. Zu verdanken ist dies einer Reihe an Gerichtsklagen von Gastronomen und Herstellern. Und, nicht zuletzt, auch dem Film Bram Stokers Dracula, der das Getränk wieder ins Licht der Öffentlichkeit rückte.

 

Die magisch grüne Farbe

Im Handel erhältlicher Absinth erscheint in der Regel fast schon Neongrün. Was manche für ein Zeichen hoher Qualität halten, ist jedoch eher ein Qualitätsdämpfer. Denn auch wenn er gerne Grüne Fee genannt wird, besitzt echter Absinth eine bei Weitem schwächere Grünfärbung. Meist erscheint er eher grün-gelb bis gelb. Je länger er steht, desto mehr geht das Grün später in braun über.

In Originalrezepten entsteht die grüne Farbe durch den Zusatz ganz bestimmter Kräuter. Maßgeblich sind es Ysop, Waldmeister und Melisse, die der Grünen Fee ihren Namen verleihen. Dabei kommt es aber auf gutes Timing an, denn wenn die Kräuter zu lange im alkoholischen Ansatz ziehen, wandeln sich die grünen Pflanzenfarbstoffe ins Gelbe oder Braune. Daher auch die Nachfärbung von älteren Extrakten. Auch empfiehlt es sich, frische Kräuter zu verwenden, da sie noch hohe Mengen des kräftig grünen Chlorophylls enthalten.

In handelsüblichem Absinth sind es dagegen künstliche Farbstoffe, die das alkoholische Getränk unnatürlich grün färben. Wer beim Kauf also auf gute Qualität setzen möchte, sollte von den neongrünen Varianten Abstand nehmen.

 

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Die richtige Kräutermischung macht’s: für eine natürlich grüne Färbung sollten Waldmeister und Ysop nicht fehlen | © Das Grüne Archiv

Absinth mischen – die richtige Trinkweise

Ob es nun wahrlich die psychedelische Wirkung des Absinths oder schlichtweg dessen hoher Alkoholgehalt ist, der früher zu epidemischen Abhängigkeiten führte, lässt sich heute wohl nur noch vermuten. In jedem Fall ist der Konsum aber nur in Maßen zu empfehlen und sollte einen moderaten Genuss zu speziellen Anlässen nicht übersteigen. Dabei kursieren bisweilen eine Vielzahl an Gerüchten darüber, wie man Absinth denn richtig trinken soll. Von Eiswasser über vorgeschriebene Mischverhältnisse bis hin zu brennenden Zuckerwürfeln sind hier so manche Trinkrituale in Umlauf.

Fakt ist, man trinkt Absinth in der Tat nicht pur, sondern verdünnt ihn ähnlich wie guten irischen Tullamore Dew mit Eiswasser. Dadurch wird der von Haus aus sehr kräftige Geschmack der Wermut-Spirituose abgemildert und angenehmer. Das klassische Mischverhältnis von Absinth zu Waser beträgt dabei 1:3. Auch Zuckerwürfel gehören meist mit zur Trinkweise. Dabei haben sich im Laufe der Zeit drei verschiedene Trinkrituale entwickelt:

 

Schweizer Trinkweise

Dieses Trinkritual ist nicht besonders populär. Es werden ca. 3 cl Absinth in ein Glas mit Wasser gemischt, wobei jedoch kein Zucker zum Einsatz kommt. Grund dafür ist, dass „Schweizer Absinthe“ in der Regel milder und nicht so bitter ist wie die französische Variante.

 

Französische Trinkweise

Wegen seinem hohen Gehalt an Bitterstoffen bereitet man französischen Absinth seit jeher mit ein bis zwei Zuckerwürfeln zu. Diese werden auf einen Absinthlöffel gelegt und in Folge mit Eiswasser übergossen, bis das zu einem Drittel mit Absinth befüllte Glas vollständig aufgefüllt ist. Die Französische Trinkweise ist die historisch am besten belegte und auch beliebteste Trinkweise.

 

Tschechische Trinkweise (Feuerritual)

Das berühmte Feuerritual ist eigentlich keine historisch belegte Trinkweise. Sie wurde erst in den 1990er Jahren als Marketingstrategie von einem tschechischen Absinthhersteller entwickelt. Die Zuckerwürfel werden hier zunächst in der Spirituose getränkt, dann auf den Löffel gelegt und anschließend angezündet. Danach löscht man den karamelisierten Zucker mit Wasser ab.

 

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Absinth richtig zubereiten will gelernt sein: unerlässlich für die klassische französische Trinkweise sind Absinthlöffel und Absinthglas | © Das Grüne Archiv

Absinth selber machen

Selbst schwarz brennen darf man Absinth zwar trotz Aufhebung des Verbots nach wie vor nicht, ein Rezept für den Privatgebrauch gibt es aber dennoch. Es funktioniert im Grunde nach dem gleichen Prinzip wie die Kaltextraktion von Tinkturen in der Kräuterküche. Dabei sollte man während der Extraktion regelmäßig proben ziehen, um den Geschmack des Extrakts zu überprüfen.

 

Zutaten:

  • 1 l Weingeist
  • 30 g Wermut
  • 20 g Waldmeister
  • 20 g Anis
  • 20 g Fenchel
  • 20 g Ysop
  • 20 g Zitronenmelisse
  • 10 g Pfefferminze
  • 10 g Salbei
  • 10 g Veilchenwurzel
  • 1 Extraktionsgefäß

 

Zubereitung:

Man fülle das Gefäß mit Anis, Fenchel, Pfefferminze, Salbei, Veilchenwurzel sowie 25 g Wermut, 15 g Waldmeister, 10 g Zitronenmelisse und 10 g Ysop. Übergießt nun die Kräuter mit Weingeist und füllt das Extraktionsgefäß randvoll damit auf. Der Ansatz darf nun etwa 24 bis 48 Stunden lang ziehen. Kontrolliert zwischendurch immer mal wieder die Färbung des Extrakts, um den gewünschten Farbton zu erzielen und nehmt nach 24 Stunden eine erste Probe.

Sobald Euch das Aroma zusagt, könnt ihr die Kräuter abfiltern. Nehmt nun einen Teefilter zur Hand und gebt in diesen 25 g Wermut, 15 g Waldmeister, 10 g Ysop und 10 g Zitronenmelisse. Hängt den Filter in den Extrakt und lasst das Ganze für nochmals 24 Stunden ziehen oder bis es euch schmeckt.

Abschließend abgefiltert, kann der selbstgemachte Absinth dann sofort getrunken oder in einer schönen Elixierflasche aufbewahrt werden.

Wer möchte, kann die grüne Farbe natürlich noch mit etwas Lebensmittelfarbe nachoptimieren, wobei natürliche Lebensmittelfarben aber ganz klar vorzuziehen sind.

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