Recht unscheinbar dümpelt es im Norden Hamburgs zwischen der Stadtgrenze und dem Hamburger Flughafen vor sich hin: das Naturschutzgebiet Eppendorfer Moor. Und auch, wenn es das viertkleinste Naturschutzgebiet der Hansestadt darstellt, so ist es doch eine wahre Stadtgröße.
Denn die Eppendorfer Moorlandschaft gilt wider ihre geringe Größe doch als größtes, noch intaktes innerstädtische Moor Europas. Ein Alarmsignal für die europäischen Bestrebungen zum Naturschutz? Vielleicht. Ein mahnendes Beispiel dafür, es in Zukunft besser zu machen? Definitiv.
Inhaltsverzeichnis
ToggleDie schaurige Schönheit der Moorlandschaften
Moore waren dem Menschen in der Geschichte oft nicht ganz geheuer. Im Schatten sumpfiger Waldlandschaften trugen sich seinerzeit zahlreiche Schauergeschichten zu. Die Märchensammlungen sind voller Moorleichen, Gespenster, Sumpfmonster und Diebesbanden, die im Morast auf unschuldige Opfer warten.
Allerdings wird dem Moor als Landschaftsform sein Ruf mitnichten gerecht. Ein Quell des Lebens sind die Feuchtbiotope der Sümpfe, ihr Ambiente übersät mit mystischen Naturszenerien, in deren Schoße dieser Tage das Schicksal einer ganzen Zivilisation zu liegen scheint.
Denn was der Mensch mit den Mooren trocken legte, waren nicht nur stehende Tümpel und schlüpfrige Schlammflächen. Vielmehr entfesselte er durch die Trockenlegung einen Dämon, der uns bald die Luft zum Atmen nehmen wird, wenn wir sie nicht wiederentdecken – die kostbare Bedeutung der Sümpfe.
Wie viele Tonnen CO₂ durch die Entwässerung dieser Feuchtbiotope in die Atmosphäre entwichen und wie viel davon heute aus demselben Grund nicht mehr gebunden werden kann, lässt sich nur erahnen. Es ist ein unsichtbarer Fluch, der dem Moor entstiegen ist, als der Mensch Hand daran legte.
Ungesehen entfleuchte er in die Umgebung, breitete sich über die Luft aus und expandiert seither, weil ihn die nasskalte Grabeshand der Moore nicht mehr hält. So oder ähnlich ließe sich das moderne Schauermärchen von sterbenden Moorlandschaften und steigenden Kohlenstoffdioxidwerten in der Atmosphäre wohl niederschreiben.
Die letzte Hoffnung: Ein groß angelegtes Wiederbelebungsritual zur Rettung des Moors…
Naturschutzgebiet Eppendorfer Moor
Das Eppendorfer Moor ist ein gut 26 ha großes Naturschutzgebiet im Norden von Hamburg an der Grenze zu Eppendorf. Seine Entstehungsgeschichte reicht ganze 10.000 Jahre bis in die letzte Eiszeit zurück.
Damals entstanden im Einzugsgebiet der Nordsee die Marschen als landschaftliches Gegenstück zu den geologisch älteren Geestlandschaften, wie sie noch heute in der Lüneburger Heide zu beobachten sind.
Während die Geesten als geologische Erhebungen aus vermehrten Sandablagerungen im Küstenbereich hervorgingen, sind die Marschen das Resultat eines steigenden Wasserspiegels, zu dem es gegen Ende der Eiszeit aufgrund von Schmelzwasser kam.
Ein Naturphänomen, das uns im Übrigen bald wieder drohen könnte, wenn die Polkappen klimabedingt weiter in solch rasantem Tempo schmelzen wie bisher.
Im Zuge dieser geologischen Vorgänge hinterließen die abschmelzenden Gletscher in der Region zahlreiche Toteislöcher und Senken, die sich nach und nach mit Wasser füllten. Diese Feuchtgebiete boten ideale Bedingungen für die Entwicklung von Mooren. Und auch das Eppendorfer Moor entstand durch die fortschreitende Verlandung eines solchen Schmelzwassersees.
Mit Blick auf das Klima übernimmt das Eppendorfer Moor dabei wie alle Moorlandschaften eine äußerst wichtige Funktion: Sein Totholz, ebenso wie die moortypische Flora des Gebiets, binden Unmengen an CO2. Gleichwohl reinigen die dort wachsenden Sumpfpflanzen die Gewässer und reichern den Boden mit Nährstoffen an.
Leider ist das Moor im letzten Jahrhundert aber stark geschrumpft. Erstreckte es sich früher noch über eine Fläche von gut 200 ha, ist heute nur noch etwas mehr als ein Zehntel davon übrig. Schuld daran ist wie so oft der Mensch.
Von Torf, Urbanisierung und Flugschneisen
Das fruchtbare Schwemmland der Moore und Marschen bot unseren Vorfahren einst wertvollen Kulturboden. Ähnlich wie der fruchtbare Schlamm des Nils, der schon für die Landwirtschaft im alten Ägypten von Bedeutung war, gereichte das nährstoffreiche Sumpfland unseren Ahnen als Lebensgrundlage für ihre Siedlungen.
Beim Eppendorfer Moor war das nicht anders. Schon die Sachsen und Slawen legten im Mittelalter Teile des Moors trocken, um landwirtschaftliche Flächen darauf anzulegen oder Torf abzubauen.
Noch schlimmer wurde der Raubbau am Eppendorfer Moor jedoch ab 1862, als man einen Schießstand in das hiesige Moor verlegte. Zeitgleich wurden vermehrt Bäume in dem zuvor baumfreien Moorgebiet angesiedelt, was zu tiefgreifenden Veränderungen der natürlichen Vegetation führte.
Der neuerliche Baumbewuchs war für das Moor aber bei Weitem nicht so tragisch wie die großflächige Entwässerung in den 1910er Jahren, als im nördlichen Teil der Moorlandschaft der Flughafen Hamburg entstand.
Seinen Baumaßnahmen, ebenso wie der Stadterweiterung von Hamburg, die zu diesem Zeitpunkt bereits seit 1867 im Gange war, fielen große Teile des Eppendorfer Moors und seiner Flora zum Opfer. Der deutsche Botaniker und Naturforscher Karl Höller schrieb hierzu um 1914 folgendes:
„[…] so ist der Stadterweiterung das früher in nassen Jahren kaum passierbare und an interessanten Pflanzen so reiche Eppendorfer Moor zum Opfer gefallen, denn was jetzt nach der Tieferlegung des Abflußgrabens noch nach geblieben ist, verdient kaum noch den Namen eines Moores und von seiner Pflanzenwelt ist vor allem seit der Freigabe des Schießstandes und der dadurch hervorgerufenen Völkerwanderung dahin kaum noch etwas vorhanden. Ja gewiß, Schilf, Binsen und Heidekraut sind noch da, aber die verschiedenen prächtigen Orchideen von früher habe ich nicht mehr finden können, und wie lange die zierliche Sumpfährenlilie sich noch halten wird, ist wohl auch halb entschieden […]“
Irreparable Schäden am Feuchtbiotop
Höller sprach das Problem des tiefer gelegten Abflusskanals im Eppendorfer Moor in seinen Aufzeichnungen bereits vor über 100 Jahren an. Weil das Moor seither von seinem natürlichen Wassereinzugsgebiet abgeschnitten ist, haben sich sowohl sein Boden-pH-Wert als auch der Feuchtigkeitsgehalt des Bodens unwiederbringlich verändert.
Der Naturschutzbund Deutschland führt in einem Bericht zum Eppendorfer Moor außerdem weitere Probleme an. So kommt es laut NABU durch den fehlenden Anschluss zu natürlichen Wasserquellen zum Beispiel vermehrt zu Trockenperioden im Moor.
Des Weiteren wurde in der Nachkriegszeit durch Brennholzgewinnung und darauffolgende Nachforstung die ursprüngliche Flora des Moors weiter gestört. Als Konsequenz entstand in der Moorlandschaft zunächst ein Bruchwald, maßgeblich bestehend aus Birken, Buchen, Erlen und Weiden.
Die natürliche Moorflora ging dementsprechend weiter verloren. Heutige Naturschutzbemühungen konzentrieren sich deshalb eher auf den Erhalt des Status quo, da eine vollständige Renaturierung zum aktuellen Zeitpunkt kaum mehr möglich ist.
Nichtsdestotrotz hat der Naturschutzbund in Kooperation mit der Stadt Hamburg mittlerweile bahnbrechendes geleistet und das Eppendorfer Moor vor der vollständigen Zerstörung gerettet. Durch das Offenhalten der Moorlandschaft wird das Wuchern von Gehölzen eingedämmt, die ansonsten den krautigen Sumpfpflanzen ihren Lebensraum weiter streitig machen würden.
Inzwischen sind auch viele bedrohte Tierarten wieder in das Moor zurückgekehrt, darunter 78 Schmetterlingsarten, die auf der Roten Liste stehen. Auch Amphibien wie zum Beispiel Laubfrösche, Vogelarten wie der Zaunkönig, Zwergtaucher, Reiher, Mäusebussard, die Sumpfmeise, Misteldrossel oder Nachtigall und sogar Fledermäuse finden im Eppendorfer Moor wieder Zuflucht.
Flora des Eppendorfer Moors
Die mysteriöse Magie der Moorlandschaften entdeckt man selbst im Eppendorfer Moor noch an vielen Stellen. Da wären zunächst einmal die Sumpf- und Moorflächen selbst, die hier und da fast wie Mangrovensümpfe anmuten. In ihnen sprießt ein wahres Sammelsurium an CO₂-aktiven Pflanzen, so zum Beispiel:
Hinzu kommen einige klassische Sumpf- und Wasserpflanzen, von denen manche schon vom Namen oder ihrem ungewöhnlichen Aussehen her wahrhaft an den schaurig-mystischen Charakter der Moorlandschaft gemahnen. Das betrifft allen voran Blutweiderich und Hexenkraut, die im Eppendorfer Moor perfekte Standortbedingungen vorfinden.
Unter den Pilzen, die ebenfalls symbolisch für Wald- und Moormagie stehen, findet man im Moor zu Eppendorf unter anderem den Bovist, den Prächtigen Flämmling, den Rotbraunen Milchling, den Lackporling und die Tramete.
An einer Birke am Rande des Sumpfgebietes konnte im Zuge der Recherche zu diesem Beitrag sogar ein Chaga Pilz identifiziert werden.
Auch der Ampfer-Knöterich trägt mit seinen auffällig schwarz gefleckten Blättern zum zauber- und sagenumwobenen Moorambiente bei. Gleiches gilt für die Silberblättrige Taubnessel und die Gundelrebe, deren eigentümlicher Blattschmuck im Eppendorfer Moor ganze Blattteppiche ausbildet.
An wundersamen Gewächsen fehlt es der Moorlandschaft also nicht. Weitere, dort heimische Pflanzen sind unter anderem:
- Hahnenfuß
- Gelbweiderich
- Schöllkraut
- Sumpf-Ziest
- Walderdbeere
- Weidenröschen
- Zaunwinde
Die Flora einer Moorlandschaft
© Das Grüne Archiv
Ausflüge ins Eppendorfer Moor
Das Eppendorfer Moor lässt sich über die öffentlichen Verkehrsmittel von der Hamburger Innenstadt aus relativ gut erreichen. Mit der U3 Richtung Schlump bis Kellinghusenstraße und Umstieg in die U1 Richtung Ochsenzoll mit Ausstieg in Lattenkamp sind es etwa 30 Minuten.
Von hier aus kann man dann den Rest des Weges über den Orchideenstieg gemütlich zu Fuß gehen oder mit dem Fahrrad fahren. Durch das Naturschutzgebiet selbst führen dann mehrere Schotterwege, die eine umfassende Tour durch das Moor erlauben.
Das Gelände ist insgesamt sehr eben und lässt sich binnen ein- bis zwei Stunden ohne Anstrengung erkunden.
Es sei an dieser Stelle an die Verantwortung etwaiger Besucher gemahnt, Abfälle nur in den mooreigenen Mülleimern zu entsorgen. Nach starkem Regen wird das Gelände außerhalb der Wanderwege außerdem sehr schlüpfrig und man sinkt schnell ein.
Moorwanderer sollten deshalb davon absehen, sich abseits der Wege in die sumpfigen Bereiche zu verirren. Steckt man hier erst einmal fest, könnte man bisweilen mehr als einen Schuh an den Morast verlieren und wir wollen ja keine frischen Moorleichen heraufbeschwören…
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