Mediterrane Kräuter schmecken nicht nur besonders aromatisch. Viele von ihnen gehören auch zu den hochwirksamsten Heilpflanzen der Welt. Doch woher stammt die außergewöhnliche Heilwirkung der Mediterrankräuter und welche Kräuterarten aus dem Mediterraneum gibt es? Der nachstehende Beitrag aus unserer Blogserie Kräuterwelten gibt Aufschluss.
Geschichte der mediterranen Kräuter
Wie der Name bereits sagt, stammen mediterrane Kräuter aus dem Mediterraneum oder Mittelmeerraum. Damit einher gehen nicht nur besondere Wuchsbedingungen für Mediterrankräuter, sondern auch eine historisch bedeutsame Anwendungsgeschichte.
Kultur und Herkunft der mediterranen Kräuter
Es fällt auf, dass zahlreiche mediterranen Kräuter zur Familie der Lippenblütler gehören, die im subtropischen Mittelmeerraum besonders häufig anzutreffen sind. Wichtige Verbreitungsgebiete und Bezugsquellen für Mediterrankräuter liegen in Griechenland, Italien, Südfrankreich, Ägypten, Tunesien und der Türkei. Es handelt sich also um Kräuterpflanzen, die wie kaum eine andere Gruppe unter den Kräutern interkontinental verbreitet ist.
Gemäß ihrer Herkunft gedeihen mediterrane Kräuter hauptsächlich in subtropischem Klima. Sie bevorzugen zumeist trockene, sonnige und warme Standorte und kommen dabei besser mit anhaltender Trockenheit zurecht als viele andere Kräuterpflanzen. In ihren mediterranen Herkunftsländern sind die Kräuter zumeist Teil der sogenannten Macchia. Dabei handelt es sich um eine Vegetation, die speziell für das mediterrane Klima typisch ist und in ihrer Pflanzenformation so nur im Mittelmeerraum vorkommt.
Charakteristisch für die Macchia sind karge Freiflächen, die durch eine Kombination aus aromatischen Sträuchern und Bäumen wie Lavendel, Myrte, Olivenbaum, Pinien, Rosmarin, Salbei und Thymian gekennzeichnet sind. Das Ambiente erinnert ein wenig an die Heidelandschaften Mittel- und Nordeuropas und ist vermehrt in mediterranen Gebirgsregionen und felsigen Küstengebieten des Mittelmeers anzutreffen. Dementsprechend machen sich mediterrane Kräuter in Pflanzkonzepten wie dem Heidegarten oder Steingarten besonders gut.

Im Kräutergarten ist Mediterrankräutern innerhalb der Kräuterspirale sogar ein eigener Kulturbereich zugedacht. Die sogenannte mediterrane Zone liegt am höchsten Punkt der Spiralkonstruktion, an dem Niederschlag und Gießwasser besonders schnell ablaufen. Außerdem bekommt die mediterrane Zone durch ihre erhöhte Position auch mehr Sonne ab als darunterliegende Sektionen der Kräuterspirale, was den Standortvorlieben der Mediterrankräuter ebenfalls zugutekommt. Als Standortsubstrate sind verhältnismäßig nährstoffarme, sandige oder kiesige Böden zu empfehlen.
Inhaltsstoffe und Wirkung mediterraner Kräuter
Mediterrane Kräuter sind in der Regel sowohl Heilkräuter als auch Gewürzkräuter und Duftkräuter. Bedingt durch ihre Standortvorlieben weisen Mediterrankräuter eine sehr spezifische Palette an Inhaltsstoffen auf. Trockenheit und Hitze begünstigen einen hohen Gehalt an ätherischen Ölen, die sowohl für den Geschmack als auch die Heilwirkung mediterraner Kräuter verantwortlich sind.
Als Küchenkräuter unabdingbar sind sie in mediterranen Gerichten und hier mitverantwortlich für den hohen Gesundheitswert der mediterranen Diät, die als gesündeste der Welt gilt. Der heilsame Effekt der ätherischen Öle beruht diesbezüglich auf den öleigenen Terpenen, die für ihre desinfizierende und beruhigende Wirkung bekannt sind. Neuere medizinische Forschungen weisen sogar darauf hin, dass ätherische Extrakte aus mediterranen Kräutern wie etwa Rosmarinwasser eine positive Wirkung auf die Haut- und Haargesundheit haben.

Ebenfalls reichlich vorhanden sind in mediterranen Kräutern zudem antimikrobielle, antivirale, entzündungshemmende sowie verdauungsfördernde Gerbstoffe, Bitterstoffe und Flavonoide. Nicht wenige Inhaltsstoffe der Mediterrankräuter dienen dabei als Aromastoffe und medizinische Wirkstoffe zugleich. Zu den wichtigsten Pflanzenstoffen mediterraner Kräuterpflanzen gehören:
- Betulin
- Campher
- Carvacrol
- Cineol
- Geraniol
- Lavandulol
- Licareol
- Limonen
- Linalool
- Lynalylacetat
- Pinen
- Rosmarinsäure
- Kaffeesäure
- Terpeniol
- Terpinen
- Thymol
Der genaue Wirkstoffgehalt mediterraner Kräuter kann von Kraut zu Kraut variieren, wodurch sich gewisse Heilwirkungen verstärken. In Rosmarinöl, Salbeiöl und Thymianöl ist beispielsweise der Gehalt an antimikrobiellen, antiviralen und schleimlösenden Wirkstoffen wie Campher, Cineol, Rosmarinsäure und Thymol sehr hoch, weshalb die Kräuter bevorzugt in der Behandlung von Erkältungen, Grippe, Schnupfen und Husten Anwendung finden.
Das beruhigende Lavendelöl weist hingegen einen höheren Gehalt an Linalool und Lynalylacetat, was für die einzigartige, schlaffördernde, schmerzlindernde, krampflösende, nervenberuhigende und antidepressive Wirkung von Lavendel sorgt.

Die alten Kräuterschriften des Mediterraneums
Es ist kein Geheimnis, dass zahlreiche Pioniere der Kräuterkunde aus dem Mittelmeerraum stammen. Sowohl der Urvater der Medizin Hippokrates als auch der Begründer der Pharmakologie Dioskurides kamen aus dem antiken Griechenland. Und auch die königlichen Leibärzte und Einbalsamierer der Pharaonen im alten Ägypten, darunter der Hohepriester Imhotep, der als Begründer der altägyptischen Medizin gilt, sowie die Medizinkundige Peseschet, ihres Zeichens erste Ärztin der Geschichte.
Am Ostufer des Mittelmeers, auf der arabischen Halbinsel, taten sich während der Antike ebenfalls namhafte Kräuterkundige als Bewahrer des mediterranen Kräuterwissens hervor. Zu nennen sind hier insbesondere die persischen Ärzte Avicenna und Rhazes. Beide machten sich auf dem Gebiet der Pharmakologie, Chirurgie sowie der heilpflanzlichen Behandlung von Infektionskrankheiten verdient.
Mediterrane Kräuter wurden teilweise bereits um 1850 v. Chr. erstmals schriftlich erwähnt. Als älteste Kräuterschriften gelten hier 13 Papyri aus dem alten Ägypten, darunter
- Lahun-Papyri (ca. 1850 v. Chr.)
- Papyrus Edwin Smith (ca. 1770 v. Chr.)
- Papyrus Ebers (ca. 1600 v. Chr.)
- Papyrus Hearst (ca. 1550 v. Chr.)
- Papyrus London (ca. 1350 v. Chr.)
- Papyrus Carlsberg (ca. 1200 v. Chr.)
- Papyrus Brugsch (ca. 1070 bis 1400 v. Chr.)
Die Papyrusrollen nennen eine Vielzahl mediterraner Heilkräuter zur Behandlung verschiedener Frauenleiden, Hauterkrankungen, Zahnerkrankungen, Augenerkrankungen, Herz- und Gefäßerkrankungen sowie Depressionen. Zudem sind auch die traditionellen Kräuter zur Einbalsamierung und Mumifizierung von Leichen mehrfach erwähnt. Dabei handelte es sich in der Regel um antimikrobielle Kräuter und Harze, die Verwesungskeime erfolgreich von den Mumien fernhielten.
Wissenswertes: Mediterrane Kräuter zur Einbalsamierung werden bis heute zur Behandlung von Infektionskrankheiten verwendet.
Unter den persischen Schriften gelten der Kanon der Medizin von Avicenna sowie das Nonus Almansoris von Rhazes. Gemeinsam mit der Materia Medica von Dioskurides und dem Corpus Hippocraticum gelten sie als die vier wichtigsten Lehrbücher zur Medizin und Kräuterkunde der Antike und des Mittelalters aus dem mediterranen Raum.

Arten von mediterranen Kräutern
Wenngleich alle mediterranen Kräuter im Mittelmeerraum wachsen, werden regional doch sehr verschiedene Kräuterarten verwendet. Dadurch ändert sich der charakteristische Geschmack mediterraner Nationalküchen mitunter sehr. Hier ein kleiner Überblick zu den wichtigsten Arten mediterraner Kräuter und Kräutermischungen.
Kräuter der Provence
Herbes de Provence oder Kräuter der Provence sind als Kräutermischung die klassischen Mediterrankräuter Südfrankreichs. Es gibt Überschneidungen mit Italienischen und Griechischen Mediterrankräutern, wobei die Kräuter der Provence in der Regel ein etwas milderes Aroma besitzen. Typischer Weise werden in entsprechenden Kräutermischungen folgende Kräuter verwendet:
Herbes de Provence werden sowohl zum Würzen von Speisen, Kräuteröl und Kräuteressig, als auch in der Pflanzenheilkunde verwendet. Manche Kräuterarten kommen auch natürlich in Mitteleuropa vor und zeigen den fließenden Übergang natürlicher Habitate für mediterrane Kräuter auf.

Italienische und Griechische Mediterrankräuter
Italien und Griechenland gelten als die klassischen Ursprungsländer mediterraner Kräutern. Die Gewürzpalette ist hier besonders groß und verdeutlicht, wie eine gesunde Ernährung und medizinische Vorsorge bzw. Behandlung in der Antike des Mittelmeerraums seit jeher Hand in Hand gingen.
Man findet unter italienischen und griechischen Mediterrankräutern besonders viele, hochwirksame Heilkräuter, die gleichzeitig auch ein sehr intensives und markantes Aroma besitzen. Dementsprechend schmecken typische mediterrane Gerichte aus diesen Regionen, wie zum Beispiel Pizza, Pasta, Pesto oder Gyros auch deutlich würziger als Gerichte, die mit Kräutern der Provence zubereitet wurden. Hier die wichtigsten Mediterrankräuter Italiens und Griechenlands im Überblick:
- Basilikum
- Estragon
- Gliedkräuter
- Kerbel
- Liebstöckel
- Mönchspfeffer
- Myrte
- Oregano / Majoran
- Petersilie
- Pinienkerne
- Rosmarin
- Salbei
- Sumach
- Thymian
- Lorbeer
- Ysop

Nordafrikanische und Arabische Mediterrankräuter
In Nordafrika und der Türkei schmecken mediterrane Gewürzmischungen oft ganz anders als in Südeuropa. Und sie sehen auch anders aus. Charakteristisch ist hier in der Regel eine gelb-orange bis rote Färbung der Gewürzmischungen und Gewürzpasten.
Damit ähneln regionale Gewürzmischungen wie Ras el-Hanout, Sataar, Baharat und Harissa sehr den indischen Gewürzmischungen Curry und Garam Masala, die für gewöhnlich aus Ayurveda Kräutern bestehen. Am ehesten an klassische mediterrane Gewürzkompositionen erinnert hier noch Zaatar. Die Gewürzpaste wird aus Olivenöl, Sesam, Bohnenkraut, Thymian, Korianer, Anis, Fenchel und dem zu den Arten des Oregano gehörenden Syrischen Ysop alias Zaatar-Oregano zubereitet und als Würzmittel für Fladenbrot verwendet.
Wissenswertes: Die schärfe in Nordafrikanischen und Westarabischen Gerichten stammte früher nicht etwa von Chilis und Pfeffer, wie es heute üblich ist. Tatsächlich wurde ursprünglich der sogenannte Guineapfeffer zum Schärfen verwendet, der in Zentral- und Westafrika heimisch ist.
Insbesondere an der nordafrikanische Gewürzpalette wird deutlich, wie sehr der Orient im Laufe der Geschichte Einfluss auf den Süden und Südosten des Mediterraneums genommen hat. Sowohl die Nationalküche Ägyptens, als auch die von Marokko, Algerien, Mauretanien, Libyen und Tunesien ist sehr durch die Kulinarik der Berberstämme geprägt, deren Vorfahren während der Antike aus dem Nahen Osten nach Nordafrika einwanderten.
Mit ihnen kamen auch Kräuter und Gewürze nach Nordafrika, die für eine originelle Mischung aus mediterranen und orientalischen Kräutern sorgte. Dabei ist aber zwischen eingeführten Kräutern wie Ingwer, Kurkuma, Muskat oder Zimt und natürlich im Süd-Mediterraneum wachsenden Kräutern zu unterscheiden. Insgesamt gelten folgende mediterranen Kräuter und Gewürze als heimische Arten des südlichen und südöstlichen Mediterraneums:
- Anis
- Bohnenkraut
- Damaszener-Rose
- Erdmandel
- Fenchel
- Koriander
- Kreuzkümmel
- Lavendel
- Minze
- Mönchspfeffer
- Nelken
- Oregano / Majoran
- Safran
- Sumach
- Ysop

Mediterrane Balsamharze und Duftkräuter
Gerne assoziiert werden mit dem mediterranen Raum neben aromatischen Gewürzkräutern und Heilkräutern auch Duftkräuter. Doch gerade solch kultlastiges Räucherwerk wie Weihrauch und Myrrhe, die während der Antike sowohl in der altägyptischen Balsamierkunst als auch für desinfizierende Räucherungen in der altgriechischen und arabischen Heilkunde rege Verwendung fanden, stammen ursprünglich gar nicht aus dem Mittelmeerraum.
In Wahrheit sind Weihrauch und Myrrhe nämlich am Horn von Afrika sowie im Süden der Arabischen Halbinsel heimisch. Es gibt aber dennoch einige Balsam- und Räucherharze sowie wohlriechende Duftkräuter aus dem Mediterraneum, darunter:
Fazit
Die Welt der mediterranen Kräuter ist weitaus vielseitiger als es zunächst den Anschein hat. Neben Klassikern wie Basilikum, Lavendel, Rosmarin und Thymian gibt es hier noch zahlreiche andere Heil-, Gewürz- und Duftkräuter zu entdecken. Dabei sind manche von ihnen explizit für das einzigartige Gewürzaroma individueller Nationalküchen des Mittelmeerraums verantwortlich. Andere gelten als bedeutsame Heilkräuter und sind in ihrer Heilwirkung anderen Kräutern deutlich überlegen.